Texte

von Christian Schuster

Antonín Dvořák


* 08. September 1841
† 01. Mai 1904

Nocturne (H-Dur) für Violine und Klavier op. 40 (B 47 bis)


Die Entstehungsgeschichte dieses kleinen Werkes ist nicht ganz so langwierig und vielschichtig wie diejenige des Brahmsschen Opus 60, umspannt aber doch immerhin einen Zeitraum von etwa dreizehn Jahren. In Dvoøáks durchkomponiertem vierten Streichquartett (e-moll, B 19, 1870?) findet sich als Mittelteil (Andante religioso) jene H-Dur-Episode, die zur Keimzelle des Werkes werden sollte. Die Episode entwickelt sich hier über einem Orgelpunkt auf der Dominante von nicht weniger als 64 Takten Länge und ist wesentlich melismatischer figuriert, also „dekorativer“ gestaltet als in den nachfolgenden Metamorphosen. Aus diesem, erst im Rahmen der Gesamtausgabe veröffentlichten Streichquartett wanderte der Passus zunächst in eine Frühfassung des Streichquintetts G-Dur (op. 77/B 49), wo er in erweiterter Form als Intermezzo figurierte, bei der Endredaktion des Werkes jedoch wieder gestrichen wurde. Noch im Entstehungsjahr des Streichquintetts (1875) scheint der Komponist den zum zweiten Mal heimatlos gewordenen Gedanken dann zu einem selbständigen Stück für Streichorchester umgearbeitet zu haben. Auch hier ist der Dominant-Orgelpunkt, über dem sich die wohl von Bachschen Vorbildern angeregte 12/8-Bewegung entfaltet, das auffälligste Merkmal – aber gleichzeitig mit der Vereinfachung und Entschlackung der Textur hat Dvoøák auch die Dimensionen dieses „Kniffs“ auf weniger als die Hälfte reduziert. Anläßlich der Publikation dieses Werkes fertigte Dvoøák schließlich zwei Alternativfassungen des Stückes an, und zwar für Violine und Klavier und für Klavier zu vier Händen; beide Bearbeitungen wurden parallel zur Orchesterversion im selben Verlag veröffentlicht.

Antonín Dvoøák
Quartett [Nr. 1] für Pianoforte, Violine, Viola und Violoncell, D-Dur, op. 23 [B 53]

komponiert: Prag, 24. Mai — 10. Juni 1875
Uraufführung: Prag, Umĕlecká beseda, 16. Dezember 1880
Karel ze Slavkovských (1845-1919), Klavier
Václav Kopta (1845-1916), Violine
Petr Mareš , Viola
Alois Neruda (1837-1899), Violoncello
Erstausgabe: Schlesinger, Berlin, 1880


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